Samstag, 8. März 2014

Karpfenradweg



"Karpfenradweg" benennen einige Fahrradkarten einen ovalen Weg rund um die "Karpfenstadt" Reinfeld. Gut für den Tourismus ist es, hält eine Kommune ein mehr oder weniger ausgeprägtes Radwandernetz vor, so sagt man. Schnell werden ein paar Schilder ausgehangen, Bänke und Papierkörbe aufgestellt und mehr oder weniger geeignete Routen deklariert, fertig ist die neue Touristenattraktion. Weitere Recherche  verläuft im Sande und man stößt bei der Internetsuche  nur auf einen gleichnamigen Radweg in Franken. Nunja, man sollte nicht urteilen, ohne sich selbst ein Bild gemacht zu haben und so entschloss ich dem Reinfelder Krapfenweg heute einen Besuch abzustatten. Der Bahnhof Reinfeld ist der letzte Haltepunkt der Regionalexpress Zügen im Hamburger Verkehrsverbund. Ein Tagesticket im Verkehrsverbund kosten nur halb so viel, wie ein Schleswig-Holstein-Ticket, alleine diese Tatsache macht Reinfeld als Ausgangspunkt für eine Radtour sehr attraktiv. Die Attraktivität endet jedoch schon bei der Ankunft. Mittelbahnsteig ohne Aufzüge, also Fahrrad unter den Arm klemmen und schleppen. Den Pinscher, welcher beim heutigen Strahlewetter nachhaltiges Interesse an einem Ausflug bekundet hatte, störte das, gemütlich in seinem Körbchen hockend, nicht die Bohne. 



Sehenswertes in Reinfeld sieht man quasi auf einen Blick. Tatsächlich führt der Karpfenradweg an ein paar Karpfenteichen vorbei und recht bald Richtung Nordosten aus der Stadt hinaus. Auf den Bauernhöfen am Wegesrand herrscht frühlingshafte Betriebsamkeit. Ein Landwirt, der sein Erdbeerfeld mit Pestiziden beglückt, scheucht ein Rudel Dammwild auf. Verdammt, Kamera zu Hause vergessen. Dörfern folgen Höfe, Höfen folgen Dörfer. Zerfetzte Reichskriegfallge neben dem "Isis-Kebab", die Straßennamen in Sütterling und auf der getönten Heckscheibe eines Kleinwagens prangt in weißen Siegrunen "Todesstrafe für Kinderschänder" - das ist mit ein wenig zu rustikal hier. Heilshoop heißt der Ort, den ich mit einem beklemmten Gefühl zügig Richtung Süden verlasse. 




Ich streife das Stadgebiet von Lübeck und überquere das Autobahnkreuz. Die Gegend ist hügelig. Nach dem Motto bergauf fluchen, bergab juchen fahre ich gemütlich weiter und gewähre dem Pinscher ab und an ein Stück Auslauf. Noch wollen wir das nicht übertreiben, auch dem Kleinen fehlt noch Kondition. Der weitere Weg führt nun in Sichtweite der Trave, südlich von Reinfeld bis Bad Oldesloe. Eine Palette 70er Jahre Bausünden entfaltet sich eindrucksvoll, die Innenstadt ist jedoch ganz nett. Hauptattraktion: eine Wassermühle. Warum nun die Karpfenradwegplaner den Karpfenradweg einmal quer durch die Fußgängerzone von Bad Oldesloe führen, in der das Radfahren selbstverstänlich verboten ist, erschließt sich allenfalls unter dem Aspekt der Tourismusförderung, den schiebenden Radfahrer nervt so etwas gewaltig, den geneigten Fußgänger nicht weniger. Zur Strafe esse ich meinen mitgebrachten Müsliriegel und verzichte auf einen Kaffee. 

Hinter Bad Oldesloe wird es gemein. Eine Steigung zwingt mich in den kleinsten Gang. Oben, ich japse noch ein bisschen nach Frühlingsluft, begegnet mir eine zierliche Frau mit einem riesigen Dobermann-Pinscher. Sie grüßt, ich grüße, mein winziger Rehpinscher knurrt kurz aus seinem Fahrradkörbchen und die Verhältnisse sind geklärt. Der Blick auf die Uhr verrät, 23 Minuten bis zum nächsten Zug, ein Blick auf das Navi sagt, 7 km - das könnte klappen. Kurz vor Reinfeld wieder Karpfenteiche. Der, wie zu Beginn beschrieben, nicht sonderlich Radelfreundliche Bahnhof bietet beim Abschied noch eine ganz besondere Überraschung: Der Eingang liegt auf einem 5 Stufen hohen Podest, das die nach außen öffnende Eingangstür komplett überschwingt. Steht man also mit dem Fahrrad davor, so kann man die Tür nicht öffnen. Ein wirklicher Schildbürgerstreich. Gerade noch geschafft - Das Fahrradabteil ist natürlich voll. Gut gefüllt mit armen Leuten, die sich kein Fahrrad leisten können (jedenfalls haben sie keins dabei). 




Mein Resümee zum Karpfenweg: Wer auf ruhigen Nebenstraßen und meist zufrieden stellenden Radwegen eine  ereignislose Tour durch hügelige Landschaft machen und auch ab und an mal etwas in die Ferne gucken möchte, der ist hier genau am richtigen Platz. Es ist nun mal kein "Hechtradweg".




1 Kommentar:

  1. Dafür, dass es sich nicht lohnt, hast du's aber wirklich lesenswert beschrieben!

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