Freitag, 4. Juli 2014

Copilot


"Aaah, mit Copilot!" gluckste die dicke Frau, als ich Lübeck gen Norden verließ, während sie einen noch dickeren Korgie ungelenk mit einem Bein in den Hauseingang zurück zu drängen versuchte. Sie meinte natürlich den Navigator, den Pinscher, der mir im Nacken in seinem Körbchen sitzend, ebenfalls gierte, einen schönen Nachmittag an der Ostsee zu verbringen. 

Copilot
Vorbei an reifen Getreidefeldern schlängelten wir uns auf verkehrsarmen Nebenstraßen von Ort zu Ort. Die Landschaft ist hügelig und die Dorfkneipen heißen hier wahlweise Kupferpfanne, Kupferkanne oder Kupferkrug. Das Thermometer am Cockpit zeigte heute beständig 36-38 Grad Celsius an. Viel zu warm - vom Pinscher drang leises hecheln nach vorne. Verlässlich jedoch die Unterstützung am Berg - immer wenn ich zu versagen drohe, gibt es einen zärtlichen Kuss in den Nacken. 

Ansporn
An der Vogelflug-Linie Richtung Fehmarn ist der Bahnübergang manngesichert weil die Signalanlage defekt ist. Das war auch schon letztes Jahr so, und im Jahr davor auch, und im Jahr davor.... Immer wenn ein Zug kommt wird eine orange Girlande über den nicht befahrenen Feldweg gespannt. Ist der Zug vorbei, wird die Girlande wieder abgehangen, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Mit dem Job könnte ich mich fast anfreunden, wenn ich mal in Rente bin, aber das dauert ja noch 20 Jahre. 

Vogelfluglinie


Haffkrug, Ostsee, Strandpromenadenmonotonie! Wir beschließen Kaffee und Kuchen. Der Kellnerin ist leider nicht zu entlocken ob sie den gebackenen Käse oder den Käsesahne bevorzugt. Ich entscheide mich für ersteren und der Pinscher ist, nachdem er den örtlichen Trinknapf aufgesucht hatte, zufrieden mit meiner Wahl.  Timmendorfer Strand - mir scheint, hier treibt sich rum, was Westerland aussortiert hat. Die Grabbelkiste der (fast)schönen und (fast)reichen. Man zeigt sich gerne. Der Pinscher spielt mit und erntet fröhliches Lächeln in rauen Mengen. 

Den sonst obligatorischen Fischbrötchenstopp in Niendorf lassen wir heute aus. Stattdessen lümmeln wir uns auf der frisch eingeweihten neuen Seebrücke herum bis kleine Strandfliegen uns zu sehr ärgern. 

Seebrücke Niendorf

Danach der Klassiker fürs Radwanderherz - das Brodtener Ufer. Weiße Segel am Horizont, tiefblaues Wasser und goldenes Korn, dazu eine smooth breeze vom Meer und die Räder rollen flink über den Schotter. Die Zeit könnte stehen bleiben, der Moment wäre Lebensinn genug. 

Brodtener Ufer


Während der obligatorischen Niederegger Marzipantorte und dem zugehörigen Milchkaffee bugsieren zwei der riesigen Skandinavienfähren vorüber in die Trave hinein. Ob ich denn nicht Fußball sehe, fragt der Kellner. "Nein, Fähren!" - "Bitte?" - "Ich schaue den Fähren zu!" Ja und ob ich denn nicht wissen wolle wie es stehe? "Nein!" - "Nein?" - "Nein!" Ich zahle und der Pinscher leckt den letzten Rest Sahne von meinem Zeigefinger. 

Richtung Lübeck an der Trave begegnet mir ein junger Mann in einem Velomobiel. Er käme aus Hamburg und führe zur Fähre nach Malmö. "Die ist gerade angekommen" sagte ich und wünschte ihm einen schönen Urlaub.





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