Sonntag, 20. Juli 2014

Rund Hamburg Marathon - halbe Sachen



13 Minuten vor dem Wecker klingelte der interne Wecker. Etwas aufgeregt, fröstelnd. Ich lag neben der Bettdecke am offenen Fenster. Der Pinscher thronte breit grinsend, schlafend auf der Decke. Mit einem Ruck stellte ich meine Vorstellungen der Herrschaftsverhältnisse kurz klar, das Grinsen verschwand. Kaffee brachte niemand, selbst ist der Mann. 

Nachdem ich mir vor 6 Wochen bewiesen hatte, dass ich fahrradmarathontauglich bin, hatte ich mir für heute vorgenommen, dies auch einmal öffentlich aus zu probieren. Bei angesagten 34°C jedoch mit zwei Einschränkungen. Der Pinscher bleibt, aus gesundheitlichen Gründen zu Hause und ich fahre, ebenfalls unter Anbetracht der potentiellen Risiken auzudörren, heute nur die "halb" - sprich 120 km plus an und Abfahrt. 

Aus dem Bett, den Kaffeknopf gedrückt, zähneputzend, sonnencremeverschwendend deodorieren. Es würde versagen, das Deo, soviel war klar. Noch mal Lichtschutzfaktor 50, Schluck Kaffee, Pinscher pipi - Zähne hatte ich schon. Kunstaugen rein, Strampelhose, dicke Socken, heute das weiße Radtrickot, wird ja heiß - Schluck Kaffee, dieser Pinscher schaut mich so komisch an, achja, er könnte hungrig sein. Helm, Brille, Müsliriegel, Geld, Smartphone, GPS, Wasservorrat, Lichtschutzfaktor 50, der kleine Glücksbringer am Lenker und raus, hinaus zum Startplatz auf den Alterdorfer Markt.




Das eine oder andere bekannte Gesicht war schon dort. Anmelden? Drinnen, und 10,00€ Startgeld nahm man mir auch freudig ab - dafür gab es dann einen Futtergutschein für die Döner Bude gegenüber, die gute Organisation und Pausenverpflegung unterwegs. Kurze Ansprache vom ausrichtenden Verein an die versammelte bunte Gemeinschaft - dies sei kein Rennen, jeder habe sich an die Regeln des öffentlichen Straßenverkehrs zu halten und des weiteren wünsche man viel Spaß. Na das war ja kurz und schmerzlos.




Zusammen mit drei anderen Liegeradfahrern bewegten wir uns, immer wieder von flinken Rennern überholt, Richtung Nordosten aus der Stadt hinaus. Wellingsbüttel, Volksdorf, dann südlich von Ahrensburg aufs platte schleswigholsteinische Land. Bei einer Trittfrequenz von 100 surrt die Kette Leise und gehorcht schon einem Fingertipp auf ihrem Weg die Ritzet hinauf oder herunter. Man gerät in eine Art Trance, schwebt dahin. In der Gruppe gibt man aufeinander Acht. Vor Unwegsamkeiten, Hindernissen und Gegenverkehr wird mit Zeichen gewarnt. An Kreuzungen teilt man den Begleitern mit, ob abgebremst werden muss, oder ob man ungebremst passieren kann und dank vorher herunter geladenem GPS-Track gab es nur selten Unstimmigkeiten über den weiteren Streckenverlauf.

Im Sachsenwald wurde das Gelände hügelig, zum Glück war es auch schattig und noch kühl dort. Wir entschlossen uns zu einer Pause. Eine größere Gruppe Rennradfahrer zog vorbei als wir auf einem Parkplatz zu Müsliriegeln und zur Wasserflasche griffen. Etwas fachsimpeln, Erfahrung austauschen - ich hatte nichts zu tauschen, aber es gefiel trotzdem. Auf der Schussfahrt den Geesthang der Elbe hinab ging es richtig zur Sache. 60 Stundenkilometer zeigte die virtuelle Tachonadel, auf dem tiefen stabilen Liegerad ein großartiges Gefühl, auf einem anderen Rad würde ich mich das kaum trauen.  Auf der Schleuse in Geesthacht zeigte mein Thermometer zum ersten mal 30° an, ein paar Kilometer weiter, an der Neetze bei Oleshausen schon 40° und mehr. Sicherlich hatten wir heute einen der heißesten Tage im Jahr erwischt. Mein linkes Knie begann zu schmerzen, mein linkes Knie schmerzt nie. Falsch eingestellte Klickpedale mutmaßte ein Mitfahrer. Oh diese Klickpedale: im Winter übertragen sie die Kälte auf die Fußsohlen - in diesem Moment brutzelte die Hitze der Straße meine Füße weg. Noch 20 km bis zum Kontrollpunkt und ich würde die Schuhe kurz ausziehen können.




Es gab Berge von belegten Brötchen, frisches Obst, kühle Getränke - soweit man dies auf den Fotos sehen konnte. Als wir dort ankamen gab es noch Wasser und drei Müsliriegel. Im Kleingedruckten stand wie immer irgendwo "so lange der Vorrat reicht". Spätestens als der Bewirtungspavillon abgebaut wurde war mir klar, wir mussen wohl die letzten sein. Dies trübe die Stimmung jedoch keinesfalls. 20 Minuten später nahmen wir unsere Fahrt wieder auf und begaben uns auf die letzten 35 Kilometer bis zum Ziel.




Entlang der Seeve nach Harburg, dann über die Süderelbe nach Wilhelmsburg und.... im Hafen, kurz vor dem alten Elbtunnel ereilte uns der Plattfußteufel. Bis hierher gemeinsam gefahren wurde auch dieses Problem unbürokratisch gemeinsam gelöst. Die Abkühlung, die der Elbtunnel bot, verpuffte sogleich auf dem Weg hinauf zum Kiez. Durch Rotherbaum, Harvestehude und Winterhude ging es wieder hinaus zum Startpunkt nach Alsterdorf. Niemand da? Kein Pokal, kein Urkunde, keine Kapelle. Am Döner Imbiss saßen noch einige wenige Rennradfahrer. Eistee und ein Mars war mein Begier - 5 cent musste ich noch auf meinen Gutschein drauf zahlen. Ich setzte mich und staunte ein wenig vor mich hin. So viele leistungsfähige Radfahrer gibt es?! Da fuhr niemand mit, der das einfach mal ausprobiert, die konnten das alle. "Hey war wieder schön, wir sehen uns nächste Woche in...." Hey - ich fand es auch schön, ich hab es auch geschafft und das auf einem Reiserad und nicht auf einem Rennrad, und ja, ich bin dann auch bald mal wieder dabei, vor allem dann, wenn ich so tolle Begleiter habe.

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