Montag, 20. April 2015

"Das Boot ist voll!"


Diesen ziemlich dusseligen Spruch musste man leider in letzter Zeit wieder häufiger hören. Es ist jedoch davon aus zu gehen, dass Menschen, die ihn von sich geben noch nie im westlichen Mecklenburg unterwegs waren. Das bemerkenswerte an dieser Gegend ist, dass niemand da ist. Selbst die Ureinwohner scheinen sich vor Jahren in einer Art Völkerwanderung gen Westen gewandt zu haben. So kann man die grandiose Auenlandschaft an der Sude im Bereich des Amt Neuhaus und der Stadt Hagenow weitestgehend unbelastet menschlicher Aktiviät genießen. 

Unsere Tour startete am Bahnhof Bergedorf, das Hamburger Tor zum Osten. Die Elbe erreichten wir in Geesthacht. Von dort an ist, sofern man sich nicht zu den Bergziegen zählt und über ein funktionstüchtiges Mountain-Bike verfügt, die linke Elbseite die Seite der Wahl. In Lauenburg sollte man dann wieder wechseln, obwohl hier ein eher unattraktiver Streckenabschnitt entlang der B5 folgt, der außerdem noch auf eine Meereshöhe von über 60m führt. Für norddeutsche Verhältnisse also ein echter Berg. Immerhin wurde der Belag des Fahrradweges kürzlich erneuert, ein kleine Trost. 

Am nicht mehr genutzten Hafen von Boizenburg, mit seiner stillgelegten Werft, dem nicht mehr vorhandenen Bahnanschluss und seinem Museumskran (alles mit EU-Mitteln in excelentem Zustand versetzt), beginnt der wilde Osten. Für uns zunächst mit einer Pause in der Sonne, Kaffee im Pappbecher und Eisbecher im DDR-Style. 



Gleich um die Ecke, wo die Sude in die Boize und diese wiederum in die Elbe mündet, beginnt das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbauen. Niedersachsen? Ja, die Samtgemeinde Amt Neuhaus hat sich seinerzeit per Volksabstimmung zum Landkreis Lüneburg zugehörig erklärt und somit gehört ein Teil der ehemaligen DDR heute zu Niedersachsen. Dem gut ausgebauten Radweg auf dem schmalen Landstreifen zwischen Elbe und Sude folgend begegnet man keinem Menschen. Verdammt viel Gegend hier, wunderschöne Gegend hier. Für eine stattliche Anzahl Störche ist die Aue ein Schlaraffenland. Wilde Gänse, ein prächtiger Rotfuchs, Feldhasen, Rehe, zwei Kornweihen die am Himmel einen Schaukampf führen. Es gibt immer irgendwo was zu gucken und auch die noch nicht ganz grünen Ufer der Sude sind durchweg ein Augenschmaus. 




Ab und an ein Stück Landstraße zu benutzen ist kein Beinbruch. Autos gibt es nicht und man kann ungestört nebeneinander hergleiten mit dem Fahrrad. Einige sandige, oder mit gerillten Betonplatten belegte Feldwege machten uns als Liegeradfahrer da schon eher zu schaffen. Ein als Radweg ausgeschildertes Stück Acker ließ uns staunend schieben. Vielank war unser Ziel. Nie gehört? Sollte man sich aber merken wegen des dort befindlichen Brauhauses. Man wartete mit frisch gebrautem Bier, totem, zerlegt gebratenem Urviech von der Wiese um die Ecke und der besten Faßbrause die ich je getrunken habe auf. 



Auch übernachten kann man dort und dieses Angebot hätten wir fast noch wahrnehmen müssen. Während wir genüsslich mit unserem Abendessen beschäftigt waren, mussten wir feststellen, dass es nahezu unmöglich sein würde, den letzten mit Fahrrädern benutzbaren Zug im 28 km entfernten Hagenow rechtzeitig zu erreichen. Dank mobilem Internet begann nun die Suche nach einer Alternative. Weit und breit kein Bahnhof: Dannenberg oder Lüneburg - über die Elbe nicht zu erreichen. Büchen oder Lauenburg - die letzte Abfahrt in vier Stunden und dann noch 90 min Bahnfahrt über Lübeck, zurück nach Hamburg - es würde kalt und dunkel werden, bei Ankunft wäre die letzte S-Bahn in Aumühle oder Bergedorf schon längst abgefahren, das würde dann 120 km Nachhauseweg bedeuten. Die Kellnerin, die sich nach unserer Not erkundigte, bot an, uns mit dem hauseigenen VW-Bus zum Bahnhof zu bringen. Das würde noch passen. Hier der Schlüssel und wir könnten ja schon einmal einräumen. Passte alles prima. Als die Räder drin standen, verdoppelte sich unerwartet der Fahrpreis - offenbar eine uralte Ost-Taktik, die ich zum ersten Mal in Sibirien erlebt habe und auch hier blieb, außer still zähneknirschend freundlich sein, kein Spielraum für Befindlichkeitsäußerungen. 









Schön war´s, wirklich schön, aber nächsts Mal fahren wir zwei Stunden früher los.

Samstag, 11. April 2015

Als wäre nichts gewesen


Ach wären die Temperaturen noch einmal zweistellig, ach würde doch die Sonne noch mal scheinen. Und dann ist es wieder ganz unvermittelt so weit - sommerlich, als wäre nichts gewesen. Die dicken Winterschuhe schon verstaut und gegen luftige getauscht, 3/4 Fahrradhose (wir wollen ja nicht übertreiben) die Jackenärmel sind schnell ausgeknöpft und Mann und Hund sammeln die ersten kräftigen Sonnenstrahlen ein. 


Der Pinscher scheint zu genießen. Neugierig ist er und auch bei ihm scheinen die großen und kleinen Alltagswehwehchen, die im Winter oft das Dasein zur Qual machen, sind mit eiem Mal verflogen. Das Grün lässt noch auf sich warten. Folgt man den Strömen des Nordens ist das gar nicht so schlimm, hat man doch Ein- und Ausblicke auf das Wasser, die in wenigen Tagen schon nicht mehr gelingen. 



Zur Vorbereitung einer geführten Fahrradtour folgten wir dem Lauf der Ilmenau mit leichtem Rückenwind stromaufwärts. Eine Bank am Wegesrand auf dem Deich lud zur Pause ein. Müsliriegel, Wasser, Leckerli für den Hund. Auf den Rücken legen, in den blauen Himmel starren, den wilden Gänsen zurhören - 10 Minuten Powernapping, der Pinscher hält auf meinem Bauch liegend die Wacht. 


Der Metronom von Lüneburg nach Hamburg fahrt im 30-Minuten-Takt. Den letzten vor dem Ende des Taktes hätte ich noch streicheln können, wenn der Auftzug nicht defekt gewesen wäre. Kaffee aus dem Automaten, zwei albanische Frauen gesellten sich zu mir. "qen i vogël" ....jaja, ein bisschen was haben wir auf unseren Albanienreisen gelernt und so verbringt man dann die 65 Minuten bis zum nächsten Zug mit Hund und Handyfotos vom Hund. Nagut, 65 Minuten plus 25 Minuten Verspätung plus ein liegengebliebener Güterzug plus eine Stellwerksstörung plus ein verfrühtes Enden des Zuges in Harburg plus Weiterfahrt mit der S-Bahn macht am Ende 145 Minuten. Da hätten wir auch den Abend gemütlich nach Hause radelnt verbringen können. 






Freitag, 3. April 2015

Oh! Ist das schön! - Ohhh! Ist das schööön!



Auch wenn die Temperaturen noch zu Wünschen übrig lassen, die Sonne schien und gestern war es wieder so weit, ich habe das Toxy aus seinem Winterschlaf in in der Dachkammer erweckt. Unter dicker Folie und balsamiert hat es den Winterschlaf gut überstanden. Kette fetten, Reifen auf 8 Bar, Bremsencheck, Auch der Pinscher kam, vom geschäftigen Treiben aufgescheucht, die Aktion zu begutachten. 


Heute habe ich es dann nicht mehr ausgehalten. Auch kräftiger Wind und allenfalls 2/5 Sonne konnten mich nicht von der obligatorischen Einfahrrunde abhalten. Etwas unsicher und wackelig waren die ersten paar hundert Meter, aber auf dem Deich, bei Rückenwind packte mich dann schon der Geschwindigkeitsrausch. Flux waren 10-15-20 km gefahren und bei weitem noch keine Stunde vergangen. schiebender Wind, wärmende Sonne im Gesicht, monotone Bewegung - Mensch und Maschine werden eins. Irgendwann denke ich dann immer "Oh, ist das schön!" und dann sage ich "Oh ist das schöön!" und wenn niemand in der Nähe ist rufe ich laut "Ooooh ist das schöööön!!!" Nur der Pinscher kennt das und ich habe das Gefühl, manchmal stimmt er mit ein. 




26+ Stundenkilometer Durchschnittsgeschwindigkeit sagt der Computer kurz vor dem Zollenspieker Fährhaus. Die Beine beginnen zu schmerzen, Tank leer. Zwei Rennradfahrer ziehnen mühelos vorbei. Das ärgert immer ein wenig, ich tröste mich aber damit, dass die beiden deutlich mehr vom Rückenwind profitieren und ich gerade keine Rennmaschine sondern ein doppelt so schweres vollgefedertes Reiserad  mit Packtaschen für den Blumen- und Gemüseeinkauf fahre. Die würde ich jetzt gerne mal mit zwei Rettischstangen, Hyazythen und Osterglocken auf ihrer Rennmaschine sehen, bestimmt ein lustiger Anblick. 

Auf dem Rückweg wurde ich von kräftigem Gegenwind ausgebremst. Ein Grund mich mit Kaffee und Kuchen zu belohnen. 2061 km sagte der Jahreskilometerzähler - ein Triftiger Grund fur ein Zweitstück, wie ich fand.