Mittwoch, 27. Mai 2015

Schön ist es auf der ganzen Erde, aber am schönsten ist es in ...



Eitzmühle

Elbe, Weser, und vielleicht noch Ems oder Oder, kommen in den Sinn, wenn man an eine Radtour entlang eines norddeutschen Flusses denkt. Die kleineren Flüsse sind fast unbekannt. Dabei kann man bei der Oste nicht einmal von einem kleinen Fluss sprechen, sie ist der wasserreichste linke Zufluss der Elbe in Niedersachsen und mit einer Länge von 153 km schon als stattlich anzusehen. Alleine zur Nordsee schafft sie es allerdings nicht, wie gesagt, sie fließt bei Neuhaus in die Elbe. Zuvor, entsprungen nahe Tostedt, südwestlich von Hamburg, mäandert sie in einem weiten Bogen vom Fuß der Lüneburger Heide durch Moore und Marschen Richtung Norden.



Der ADFC Hamburg lud an diesem langen Pfingstwochenende dazu ein, die Oste auf einer dreitägigen Tour zu erkunden. Und so fuhren wir, in wechselnder Besetzung und der schönen Landschaft angemessen gemütlichem Tempo. Beim Start am Bahnhof in Tostedt, wir waren 15. Ich erlebe diese ADFC-Touren manchmal als Sammelbecken etwas schräger Menschen mit der gemeinsamen Absicht Fahrrad zu fahren. Bei dieser Tour tat sich ein netter junger Mann ganz besonders hervor, zum Einen durch seine extrem Berggängige Gangschaltung, die mir für die norddeutsche Tiefebene ungeeignet erschien, zum Anderen durch die Diskussion mit dem Tourleiter über die nun einzuschlagende Richtung gleich an der ersten Abzweigung. An der dritten Abzweigung hatte sich das Ungemach von allein erledigt, wir waren nur noch 14, die bei ergiebigem Landregen Flussabwärts fuhren.


Bei der Oste kann man von einem sehr abwechslungsreichen Fluss sprechen. Am ersten Reisetag entlang des Oberlaufes wand sich die Oste in sandigem Boden durch dichte Wälder. Nur ab  und an querte man das Gewässer auf teilweise noch  hölzernen Brücken. Dieverse Mühlen säumten den Bachlauf. Eine der schönsten ist wohl die Eitzmühle in Selsingen, die ein "Landfreuen Café" beherbergt. Diese Raststelle auszulassen ist fast sträflich. 

Fähre im Handbetrieb

Prahmfähre Gräpel

Die erste Nacht verbrachten wir in Bremervörde, zufällig (oder mangels Alternative) alle im gleichen Hotel. Daskurzfristig geplante gemeinsamem Abendessen fand beim ortsansässigen Inder, nach eigenen Angaben der beste im Umkreis von 80 km, überprüfbar aber eventuell auch der Einzige, statt. In lustiger Runde sinnierten wir darüber, wie Wilhelm Busch es damals wohl gemeint haben mag, als er sagte: "Schön ist es auf der ganzen Erde, aber am schönsten ist es in Bremervörde". Nach dem scharfen indischen Mahl, diversen Bieren und einem leckeren Nachtisch kamen wir zu dem Schluss, dass die Ironie, für die Herr Busch bekannt ist, eine gewisse Rolle gespielt haben muss. 



Neuer Tag, neue Besetzung, und ja, fast ein neuer Fluss. Ab Bremervörde ist die Oste schiffbar und wird zum Gezeitenfluss. Hohe Deiche schützen das Umland vor Überflutung, auch wenn das Ostesperrwerk in der Mündung die ganz großen Katastrophen verhindern soll. Auf Prahmfähren, teilweise handbetrieben, kann man den Fluss an mehreren Stellen mit dem Fahrrad überqueren. Das Highlight ist natürlich die Schwebefähre in Osten. Nur gut ein halbes Dutzend dieser stählernen Kolosse sind weltweit in Betrieb, und drei davon in Deutschland. Wie ein Dinosaurier steht die Fähre von weither sichtbar im flachen Land und leise, von Elektromotoren angetrieben kann man damit langsam über den Fluss schweben. 

Schwebefähre Osten



KOMBÜSE 53° Nord heißt die kollektiv betriebene Dorfkneipe mit Kulturprogramm in Oberndorf am Unterlauf der Oste. Hier genoss unsere, mittlerweile auf vier Personen geschrumpfte Reisegruppe ein vorzügliches Abendmahl in netter Atmosphäre. Später versuchte ich noch die kleine rumänische Straßenhündin in unserer privaten Unterkunft, mit mäßigem Erfolg davon zu überzeugen, dass ich ein ganz Netter sei. Sie war auch der Grund dafür, dass der Pinscher dieses Mal zu Hause bleiben musste. 

Oste

Verwöhnt von fast 16 Stunden Sonnenschein am Sonntag, begrüßte uns der Pfingstmontag kühl, windig und auch wieder nass. Am Treffpunkt Bahnhof Wingst gab es den allgemeinen Trend wasserdichtes anzulegen. Die letzten Flusskilometer waren von Weite geprägt. Morgens schon sehen wer zum Abendbrot kommt ist im Deichvorland bei Balje kein dummer Spruch sondern Realität. Weizen- und Rapsfelder bis zum Horizont, Im Norden die Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal etwas getrübt vom zweifelhaft schönen Anblick der Kernkraftwerke Brunstbüttel und Brokdorf. Der Wind blies nach wie vor kräftig von Norden her, aber die Sonne fand immer wieder ihren Weg durch die Wolken, als wir am Leuchtturm zwischen Schafen hindurch auf den Elbedeich hinauf fuhren.

Deichvorland an der Elbe

Samstags und Sonntags sei das Ostesperrwerk für Radfahrer und Fußgänger passierbar, Dienstags, Mittwochs und Donnerstags zeitweise auch, versprach ein großes weißes Schild am Wegesrand. Lediglich der Montag war nicht erwähnt und ob nun der Pfingstmontag nicht doch eher ein Sonntag sei, war in unserer Gruppe umstritten. Vom Deich aus der Ferne sah man zwei Stücke Deichstraße in den Himmel ragen - 10 km Umweg hätte das bedeutet. Wie von Geisterhand legte sich jedoch die Fahrbahn wieder über den Fluss. Nun aber schnell, bevor das nächste Schiff die Oste hinauf fahren möchte.

Ostesperrwerk
Bei nun wieder strahlendem Sonnenschein aber erstaunlich eisigen Temperaturen legten wir noch eine längere Pause am Natureum  in Balje ein, bevor wir entlang des Hadelner Kanals, der Elbe-Weser-Wasserstraße, dem Ziel unserer Reise in Otterndorf entgegen radelten. Noch ein letztes Eis auf dem Marktplatz, dann hinein in den Metronom von Cuxhaven nach Hamburg. Es wurde nicht mehr so viel gesprochen, dafür hatten wir ja drei Tage Zeit gehabt, aber die Freude und Zufriedenheit über die schöne gemeinsame Tour lag in der Luft und ließ sich erspüren.

Hadelner Kanal











Dienstag, 12. Mai 2015

...just a perfect day





"Sinalle!", "Hammernich!" und "Isgeschlossen!"  waren die Antworten auf die drei Fragen "Gibt es Franzbrötchen?", "Haben sie auch frische Milch?" und "Wir hätten gerne...." - letzter von einer Truppe Handwerker der gerade einem VW-Bus entsprungen war. Ich hatte also noch mal Glück gehabt. "Welch ein Stress!" stöhnte es hinter mir von der leicht korpulenten Bäckereifachverkäuferin mit der fleischfarbenen Hornbrille und dem auffallend dichten Damenbart, die gerade den Rauch einer Zigarette ausstieß. Ich sah mich um, konnte jedoch keinerlei Stressfaktoren im näheren Umkreis entdecken. 


Die Schaltung zickte schon eine ganze Weile rum, von den ehemals 27 Gängen waren mir bis zur Kaffeepause nur noch 9 geblieben. Etwas Hirnschmalz und zwei spitze Finger führten schließlich zur Lösung des Problems. Ich brachte die Zange zurück in die Werkstatt, schlürfte meine Kaffee aus, wünschte der Bäckersfrau noch einen stressfreien Tag und setzte die Reise fort. Kiel ist weit weg. Kiel war mir immer zu weit weg, um einfach mal so hin zu fahren, aber heute war der perfekte Tag. Kurze-Arme-kurze-Hose-Lichtschutzfaktor 50 Wetter, kräftiger Wind aus südlicher Richtung, besser geht einfach nicht. Wir waren lange nicht mehr alleine und auf eigene Faust unterwegs, der Pinscher und ich, heute war es mal wieder an der Zeit. 


Fast schnurgerade führte uns der Weg nach Norden Richtung Kiel. Vorbei an blühenden Rapsfeldern die rochen, als habe jemand ein frisches Honigglas aufgeschraubt, durch Eichenwälder, deren Größe ich für norddeutsche Verhältnisse erstaunlich fand, durch schmucke Dörfer und immerzu auf recht verkehrsarmer Wegstrecke. Als ich nach nicht einmal fünf Stunden am Kieler Hauptbahnhof stand, fand ich das phänomenal. So schnell war noch nie ein Pinscher von Hamburg nach Kiel geritten. - Andererseits, es war erst kurz nach vier, da kann man doch nicht schon nach Hause fahren? So entschlossen wir, die Tour noch bis Rendsburg zu erweitern. 



Der NOK, also der Nord-Ostsee-Kanal allein ist  schon eine Reise wert. Bei Landwehr setzten wir mit der Fähre auf die nördliche Seit über. Die Fahren an künstlichen Wasserstraßen sind in Deutschland stets kostenlos, also hat man alle paar Kilometer die Wahl, die Entscheidung zu revidieren. Von der Nordsee herüber begegneten uns Windjammer, die wie auf einer Perlenschnur aufgekettet Richtung Osten unterwegs waren. Ich denke, die waren am Wochenende beim Hamburger Hafengeburtstag und nun gemeinsam unterwegs Richtung Heimathäfen an der Ostsee. Ein Stück weiter schlossen wir dann gemütlich auf ein Kreuzfahrschiff auf und spielten die "Pinscher-La-Ola", das geht so: man fährt unauffällig von hinten heran, klingelt drei Mal, schmettert ein kräftiges "MoinMoin" gegen die Bordwand und lässt den Pinscher kurz bellen. In diesem Augenblick entsteht, wenn 300 Nasen aus den Kabine lugen (die haben ja sonst nichts zu tun an Bord), eine johlende La-Ola, die erst endet, wenn man den Dampfer überholt hat - großartig! 



Rendsburg erreichten wir bei Sonnenuntergang. Der Ticketautomat der Deutschen Bahn war widerpenstig und auch die Bahn-App auf dem Handy wollte das gewünschte Ticket einfach nicht ausspucken. Die Schaffnerin hatte ein Einsehen, auch damit, dass ich erst noch den Blick von der Hochbrücke über den Kanal genießen musste, bevor ich mich ihr zuwandte und dann erst das Wunschticket orderte. Welch ein Tag, was für ein großartiger Tag! 






Samstag, 9. Mai 2015

Auf gute Nachbarschaft




Gute Nachbarschaft ist Geben und Nehmen. Als Vagabund und notorischer Herumtreiber kann sich dies möglicherweise etwas schwierig werden mit der Nachbarschaft. Aber warum nicht einfach mal die gesamte Nachbarschaft einladen und mitnehmen? Sollen die doch auch mal sehen, was man davon hat!


Geplant war die Tour schon lange, längst einmal abgefahren, potentielle Rastplätze ausgespäht. Am Oberhafen längs die Innestadt verlassen, an den Elbbrücken weiter dem Deich entlang bis zum alten Marschbahndamm, diesem folgend bis zur Fähre am Zollenspieker, ab Stöckte der Ilmenau folgend bis zum altehrwürdigen Dom von Bardowik, an der Schleuse vorbei bis zum Hafen im Herzen der Hansestadt Lüneburg und schließlich von dort mit der Bahn zurück nach Hamburg.


Diese Tour würde großartig sein im Frühling. Sattes Grün, Blüten und Wasser überall, ruhiger nahezu autofreier Kurs - alleine das Wetter machte Sorgenfalten. Die Voraussichten änderten sich stündlich, aber auch ein kräftiger Guss kurz vor der geplanten Abfaht hielt 15 Nachbarn und den Pinscher nicht vom Start ab. Unterwegs hätte es dann dauernd fast geregnet und wir bekamen mit der Zeit eine gewisse Routine im prophylaktische Anziehen der Regenbekleidung. Nass wurden wir nie, nur eben immer fast. Futter gab es reichlich - Kaffee und Fischbrötchen am Zollenspieker, Mittgebrachtes bei Sonnenschein am Nadelwehr in Fahrenholz, Kaffee und Kuchen in Lüneburg am Hafen und ganz zum Schluss noch italienisches im heimatlichen Bahnhofsviertel in Hamburg. 


Schön wars, sehr schön, und der Pinscher ist selbstverständlich auch auf seine Kosten gekommen. 






Freitag, 1. Mai 2015

"Kik ens dä Honk do hänge"



Dieser erstaunte Ausruf kam vom Wegesrand und war eindeutig rheinisch. Mit "dä Honk" war wohl der Pinscher gemeint, der entspannt und vergnügt in alter Mantafahrermanier aus seinem Transportkörbchen am Sesselflitzer heraus lugte und, um noch einmal auf die Rheinländer zurück zu kommen, diese hatten es, wie viele andere Menschen heute, ins Alte Land verschlagen. 


In diesem Landstrich in der niedersächsischen Elbmarsch rund um die Gemeinde Jork (böse Zungen behaupten dort würde man die Rasenkanten mit der Nagelschere schneiden) begeht man am ersten Maiwochenende das traditionelle Altländer Blütenfest. Die Besucher strömen in Scharen um die Pracht der Apfelblüte zu bewundern und auf den Obsthöfen wird aufgetischt. 


Auch der ADFC Hamburg bot heute eine geführte Tour durchs Alte Land an und mehr als dreißig Teilnehmer fanden sich am späten Vormittag am S-Bahnhof Neuwiedental ein. Es war eine bemerkenswert bunt gemischte Gruppe. Erstaunlich auch, dass so viele gekommen waren, denn gut 80 km ist schon eine beachtliche Strecken. Wegen der Kälte in den letzten Tagen tat sich der gemeine Apfel mit der Blüte noch schwer und leider zeigte sich auch heute das Wetter nicht immer von seiner besten Seite. So konnten wir z.B. bei einem beginnenden Regenguss spielerisch ausprobieren, wie knapp drei Dutzend Radfahrer samt Räder und ein Pinscher unter das Dach eines Doppelcarport passten. Desweiteren radelten wir jedoch bei mal sonnigem Wetter, mal drohend sich auftürmenden dunklen Wolken, gemütlich durch die Elbmarschen und über die Deiche.



"Wir warten draußen" sagte ein Schild an der Tür des Obsthofes, bei dem wir eine längere Pause einlegten. Gemeint war natürlich der Pinscher und seine Artgenossen. Wo Lebensmittel verkauft werden ist das wohl leider so. Zum Glück schien gerade die Sonne und wir fanden freundliche Mitreisende, die uns mit dem nötigsten für eine gelungene Pause versorgten. 



Nach gut 7 Stunden erreichten wir wieder unsern Ausgangsbahnhof. Die Sonne schien immer noch und überhaupt gab es eigentlich keinen Grund, jetzt wieder in die S-Bahn zu steigen. So gönnten wir uns nach einem weiteren Kaffee noch den Weg durch den feiertäglich ruhenden Hafen und über die Elbbrücken in die Stadt zurück.