Mittwoch, 24. Juni 2015

gammeln


Nein, nicht die ähnlich klingende weithin bekannte dänische Marmelade, die derzeit täglich in den Sorten Blähbähr, Apfelsine und Erdbeer-Irgendwas auf unserem Frühstückstisch stehen, auch kein gealterter dänischer Käse, nein das Gammeln war heute angesagt. Jene aus der Mode gekommen Tätigkeit, derer die uns vorangegangenen Generation uns als Jugendliche häufig bezichtigte und die nichts anderes als sinnfreies Nichtstun in meist liegendem Aggregatzustand bedeutet. Heute frage ich mich oft, warum ich damals so verschämt war. Der Pinscher jedenfalls ist ein geborener Gammler, und heute standen wir ihm kaum nach.


Dänemarks größte Wanderdüne war über Nacht fast unbemerkt durch bisher unbekannte Ritzen in unser Wohnmobil gezogen. Dabei hatte die steife Brise am Skagerag unsere Behausung kräftig durchgeschüttelt. Hier oben auf der Klippe weiterhin stehen zu bleiben erschien uns unattraktiv. Außerdem neigten sich Bordstrom und Frischwasservorräte dem Ende zu, wärend der mehr und der minder chemieverseuchte Abwassertank langsam voll wurden. Duschen statt sandstrahlen erschien uns auch sehr attraktiv - Zeit also, endlich einen Campingplatz anzusteuern. 


Der Platz in Hirtsahls, einem Kaff mit Fähranschluß an den gesamten Norden des Kontinentes war schon ausgespäht und gefiel auch. Nach verrichten der nötigsten Arbeiten und dem wohlverdienten Frühstück überkam uns die Lust auf eine weitere Einheit gammeln, erklärbar duch ein wohliges Sättegefühl, weiterhin heftiges Schaukeln der Wohnsänfte und der alternativen Aussicht beim Verlassen umgehend doch noch gesandstrahlt zu werden. Der Sturm hatte sich nun fast zum Orkan gesteigert. 


Am späten Nachmittag zog es uns dann doch noch in den Hafen. Die Straßen waren verschüttet, mehr als einen Sehschlitz gönnten wir uns kaum bei unserer kurzen Besichtigungrunde. Der Capuccino in der Stadt wäre fast vom Tablett geweht. Alle Zeichen stehen auf weitergammeln, der Sturm soll uns erhalten bleiben, auch wenn dazu die Sonne scheint. 














Dienstag, 23. Juni 2015

Pinscherleben dänisch


Nachdem uns nun das nordische Sommerwetter ein paar Tage übelst mitgespielt hatte an denen der Pinscher lieber keine Pfote vor das mobile Wohngefährt setzte, war heute mittsommerlicher Gaudi angesagt. Hundelev pur und was mit dem Brötchen holen unten im Dorf begann, endet gerade mit einem Hundetraumreichen Tiefschlaf in der Reisekoje.


Die landesweit geltende Leinenpflicht haben wir etwas angepasst. Man kann die Leine anlegen, von festhalten ist nirgenwo die Rede. Wenn niemand hinsieht, kann man das Geschirr auch ganz ablegen. Wie soll man sonst Dänemarks höchste Wanderdüne, die erst das Wanderdünenmuseum verschlungen hat und nun am benachbarten Leuchtturm knabbert, im Wettkampf erstürmen? 


Danach galt es gemeinsam per Liegerad einen für den nächsten Stopp tauglichen Stellplatz zu erkunden. Wir wurden fündig. In Hirtsahls zwischen Fähranleger und Leuchtturm gibt es eine Campingplatz mit Stellplätzen am Strand. Perfekt - dafür werden wir erstmalig auch Campingplatzgebüren bezahlen. Zum Abend war Eile geboten, wir wollten auswärts speisen und die Zeit war fortgeschritten. 


Der Pinscher hat vorzügliche Restaurantmanieren, denn ein ganz besonerer Happen ist ihm beim Verlassen des Lokals stets gewiss und so verharrt er bein Essen immer gelassen bis gelangweilt unter dem Tisch - bis dann sein großer Moment kommt. 


Beim Johannisfeuer am Strand klang heute unser Tag aus. Die Wärme des Feuers konnte man bei schwindendem Sonnenlicht gut ertragen, die dargebotenen musikalische Untermalung ging für den Abspann in Ordnung. Kein Wunder also, dass sich die Dorfgemeinschaft nach abbennen des Feuers rasch entfernte. 







Montag, 22. Juni 2015

Ringkoebing Fjord


Den Dänen kann man sicherlich vieles neiden, aber als passionierter Radfahrer setzt man Prioritäten. Gleich hinter der Grenze fielen sie auf, diese breiten, zweispurigen Radwege entlang der Landstraßen, die sich durch das ganze Land ziehen. Auch die intelligenten Radverkehrsführungen an Kreuzungen und Kreisverkehren sowie die augenfälligen baulichen Verengungen an Ortseingängen kombiniert mit einer Geschwindigkeitsanzeige und penetrantem Blinklicht bei Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit sowie generell Tempo 80 auf Landstraßen versprechen Radelvergnügen pur. 

Doch Moment, was machen wir eigentlich in Dänemark? Der Pinscher war ausgesprochen genervt. Das Paradies, die heimatliche Wohnung befand sich in Auflösung, kein ruhiges Eckchen, selbst Mekka, der Kühlschrank wurde aus der Wohnung verbannt. Die Parkettschleifer waren angemeldet und die Wohnung musste für eine Woche geräumt werden. Warum also nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Wohnmobil geliehen und auf nach Dänemark. 


Unattraktiv wie solch eine leere Wohnung nun mal ist, die Bündel gepackt und gut verstaut, zog es uns schon am späten Freitag Abend hinaus gen Norden. Nur bis zum Nord-Ostsee-Kanal, dort hatte ich auf einer meiner Radtouren eine verdammt netten Stellplatz unter der Eisenbahnbrücke bei Hochdonn entdeckt, den ich nun einmal ausprobieren wollte. Er funktioniert - sogar besser als gedacht. Die Fähre über den Kanal brummt beruhigend, ab und an rattert ein Zug über die knapp 50 m hohe Stahlbrücke und die mächtigen Schiffsdiesel der Hochseeschiffe tuckern vorbei. Beste Voraussetzungen für einen tiefen und erholsamen Schlaf. 


Frühstücken, etwas Smalltalk mit dem Nachbarn, der neben zwei Kindern zwei ausgewachsene Bernhardiner durch die Lande kutschiert, einen fliegenden Spargelhändler erleichtern, noch schnell einkaufen, noch eine leere Gasflasche tauschen, noch nen Kaffee hier und was wichtiges da - kurzum, 23:00 Uhr erreichen wir Hvide Sande, unser erstes Etappenziel in Dänemark und finden selbstverständlich keine erlaubten Stellplatz. Enttäuschend - aber in Ringkoebing werden wir fündig. Statt Spargel gibt es nun nur noch Dosenfutter für alle und ab in die Koje. 


Der Platz war sogar besser als erwartet, auf der Hafenmole gelegen teilt man sich die sanitären Anlagen mit den Seglern und der Blick ist undverstellbar. Tisch und Stühle raus, im Windschatten der rollenden Wohndose frühstücken allerdings war schon der erste Regen angekündigt und die Temperaturen im Schatten lagen nur bei knapp über 10 Grad. Für den Pinscher hieß das, Wohnmobil hüten. Ich wollte mich alleine auf die knapp 110 km lange Runde um den Ringkoebing Fjord machen, nicht, dass er sich im Urlaub noch was wegholt.


Zwei Flaschen Wasser, ein Bündel Minibananen, eine Tafel Schokolade, Pfefferminztreibstoff - es lief großartige und auf den breiten Radwegen war ein schnelle Vorankommen garantiert. Im Süden des Fjordes gab es Sandwege, die aber gut befahrbar waren. Auf der Westseite hatte ich dann die Qual der Wahl - bei Rückenwind mit 30+ km/h die Landstraße entlang segeln oder auf teilweise zweifelhaften Schotterwegen durch eine herrliche Dünenlandschaft kreuzen? Ich entschied mich abschnittweise mal für das Eine oder für das Andere. Auf dem Liegerad waren die Schotterstrecken nicht ganz ohne und erforderten sehr viel Konzentration. Pause in Hvide Sande - eine Asiatin servierte Fish & Chips. Ob tatsächlich Fisch im Teigmantel war, hätte ich näher untersuchen müssen, aber heraufziehendes Wetter und daraus resultierender Zeitmangel sowie diverse Saucen die alle Bemühungen zudeckend, hielten mich davon ab. Zurück in Ringkoebing fielen dann auch schon die ersten Tropfen vom Himmel, als ich den Pinscher durch das vereinbarte Pfeilsignal auf mein Herannahen aufmerksam machte. 
















Samstag, 6. Juni 2015

Aller Leine Aller

Nein, ich bin nicht betrunken, auch habe ich nicht vor, künftig mit dem Pinscher in einer grammatikalisch reduzierten Mischsprache zu kommunizieren - ich möchte lediglich von einem sehr gelungenen Sommertag im Aller-Leine-Tal berichten. 




Der Zug in Richtung Uelzen war leer, keine pickligen pubertierenden beim Sit-In im Fahrradabteil. Vom Anschlusszug nach Süden lässt sich das Gleiche berichten, pünktlich, sauber und das Personal war freundlich, denn mir war es zufällig gelungen alle benötigten Fahrkarten dem Automaten zu entlocken und in strategisch richtiger Reihenfolge vorzulegen. 

Hundertwasser Bahnhof Uelzen
Beim Verlassen des Zuges in der Residenzstadt Celle, gelegen südlich der Lüneburger Heide und nordöstlich der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover, strahlte unser Zentralgestirn ungehindert vom stahlblauen Himmel und sorgte für die seit langem ersehnten wohligen Temperaturen. Wenn ein Tag schon so anfängt, dann muss doch was schief laufen, dachte ich so bei mir - tat es aber nicht. 

Allerschleuse Bannetze

Dem Fluss Aller wollte ich folgen, schiffbare Bundeswasserstraße, jedoch für die Berufsschifffahrt seit dem Bau des Mittellandkanals nicht mehr von Bedeutung. Von der Aller war zunächst nicht viel zu sehen, jedoch Wald, ausgedehnter, herrlicher Kiefernwald. Starenschwärme flogen auf und es roch nach Nadelholz - viel unberührte Natur. Fast schon skandinavisch erschien mir die Landschaft. Schnell stieg das Thermometer am Cockpit auf muskel- und gelenkfreundliche 30°C an, später dann auch auf ernsthaft kreislaufbelastende +40°C, denn Schatten gab es leider nicht überall. Der Wind schob allenfalls sanft Richtung Nordwesten. So kamen wir recht zügig voran. 


Der Pinscher gab sich vergnügt und dem Anschein nach interessiert, denn auf der Strecke ließ sich das eine oder andere potenzielle  Beutetier (Schaf, Hase, Kaninchen, Fasan) blicken, was ihn stets erregt und, wenn er die dazu gehörige Witterung aufgenommen hat, in höchsten Tönen bellen läßt. Unsere Interessenlage unterscheidet sich ein wenig, jedoch kam auch ich auf meine Kosten. Eine alte Schleuse im Fluss, Windmühlen, Felder, Wälder und Dörfer wie aus dem Malbuch. Niedersachsen ist das Land der Pferde. Ich bin wirklich kein bekennender Freund dieser Tiere und mir fehlt auch der Kennerblick, aber so manch auch für Laien erkennbar edeles Geschöpf stand am Wegesrand auf den Weiden. 


Nach knapp 50 km mündet, von Hannover herab kommend, die Leine in die Aller. Langsam ändert sich ab hier die Landschaft. Deiche schützen das mehr landwirtschaftlich  genutzte Terrain vor den Hochwassern des nun breiter gewordenen Flusses. Fortan gleiten wir hinter dem Deich dahin. Vor unserer Reise hatte ich das Liegerad noch etwas umgebaut. Eine tiefere Sitzposition und ein deutlich flacherer Sitzwinkel sollten den Luftwiederstand reduzieren und das Vorankommen erleichtern. Das klappte erstaunlich gut. Rücken und Gesäß waren auch nach 100 km noch beschwerdefrei, allerdings ließen bei den Temperaturen die Kräfte nach und unsere Wasservorräte neigten sich dem Ende zu. 

Verden

Die Leiden endeten an einer Aral-Tankstelle in Verden. Ein Liter Wasser auf Ex und Mars macht mobil. Auch der Pinscher durfte sich über frisches Wasser und ein mitgebrachtes Leckerli freuen. Nur wenige Kilometer weiter mündet die Aller in die Weser. Noch eine kurze Pause an der Schleuse in Langwedel und dann wollte ich zügig zum Bahnhof nach Bremen. Beim Einflug wurde ich gemaßregelt: Hier sei es nun mal eng und man dürfe nicht so rasen, brüllte ein älterer Herr mit alkoholrotem Kopf. Ich wollte gerade zum Gegenangriff ausholen, besann mich aber der Schönheit des Tages und dachte bei mir, sie Lage dei deutlich entspannter, wenn er den Fußweg benutzen würde, statt auf dem Radweg stehend mit den Armen zu fuchteln. 

Schleuse Langwedel