Montag, 16. Oktober 2017

Someer



Wäre mal der Sommer so gewesen, dachte ich bei mir, während ich an Karpfenteichen vorbei, wohlgelaunt geradewegs Richtung Ostsee strampelte. Der Trick funktioniert immer: beim Augenaufschlag umgehend per Handy ein Bahnticket buchen. Geiz besiegt Schweinehund in jedem bisher bekannten Fall. Nötig war das heute allerdings nicht, schließlich war ein echter Sommertag angekündigt und tatsächlich ließ das Wetter sich nicht lumpen. Ganz genau hinspüren musste man, um festzustellen, dass Mitte Oktober ist. 


Lotte war entsetzt, als wir am Bahnhof ankamen. Bahn fahren zählt bekannter Weise nicht zu ihren liebsten Beschäftigungen. Herzchenrasen und Hecheln sind die unmittelbaren Folgen. Die Fahrt in das Karpfenstädchen Reinfeld ist nur kurz, aber gleich drohte weitere Widrigkeit. Ungefrühstückt steuerte ich die erstbeste Bäckerei an und musste das Zotteltier ganz ganz kurz alleine lassen um mich mit dem nötigsten zu versorgen, was sogleich tierchenseits einen Jaulkrampf hervorrief und eine Gruppe von Rentnern auf den Plan rief: "Ja was hat es denn, ja was ist denn los, ja was muss es denn, ja....." Mit einer Scheibe Salami gelang es mir umgehend das Geräusch abzustellen.


Das war es dann auch schon. Lotte war ausgesprochen brav. Sieht man einmal vom zusätzlichen Gewicht ab, merkt man die kleine Beifahrerin überhaupt nicht. Während Joschi stets die eine oder andere Kunstturneinlage auf dem Sozius vollführte liegt Lotte still aber aufmerksam da und rührt sich nicht. 



Blauer Himmel, sachter Wind von Achtern, sommerliche Temperaturen, der Weg zum Timmendorfer Strand fiel kurz. Ich betrachtete die Menschenschlage am Tresen des Fischbrötchenbäckers in Niendorf und dachte bei mit, das müssen wir uns nicht antun, wir können auch ohne Fischbrötchen fröhlich sein. Herbstferien! Ein leichter Groll zog in mir auf, Montag ist eigentlich der Tag, an dem ich die Welt für mich alleine habe. Slalom auf der Strandpromenade, die Seebrücke wollte ich mir dennoch nicht entgehen lassen. Es gibt noch Wunder, z.B. eine freie Holzliege draußen auf dem Meer. Lotte nahm auf meinem Bauch Platz. Wir ließen uns lange Zeit von den Sonnenstrahlen kitzeln, blendeten das Treiben um uns herum aus und mir kam der Gedanke, das hier sei einer der schönsten Plätze auf der Welt. 


Ich wollte Lotte das Brodtener Ufer nicht vorenthalten. Alles blau, so weit das Auge reicht, bis auf die kleinen weißen Segel am Horizont. In Travemünde steppte der Bär, oder etwas ähnliches, gesehen hätte man ohnehin nichts davon, weil sich auch hier Menschenmassen über die Strandpromenade schoben. Ich wisch über einen Parkplatz aus, an Radfahren war da nicht zu denken. Denken hätte ich mir auch können, dass bei Niederegger in der Sonne kein Platz für uns mehr war. Nicht nur bei Niederegger in der Sonne war kein Platz mehr für uns, es war tatsächlich nirgendwo ein Plätzchen zum angenehmen verweilen bei Kaffee und Kuchen in Travemünde. Welch ein Elend!



Etwas zerknirscht zog ich weiter nach Lübeck, kaufte an der Tanke bei Plaza einen halben Liter Kakao und ein Twix (oder heißen die gerade wieder Raider), setzte mich auf einen gelb angemalten Stein und schaute über die Blechlawine quer über den Parkplaz der Sonne beim sinken zu. Man muss halt flexibel sein. Auf der Rückfahrt im Zug hatte es sich bei Lotte schnell ausgehechelt - sie war fix und fertig vom Tag - einem schöner Sommertag. 







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