Montag, 22. Januar 2018

Sachsenwald - ein Plädoyer für den freien Montag




Der Sachsenwald ist der 70 Quadratkilometer große Rest eines riesigen norddeutschen Urwaldes, der sich einst von der Ostsee bis nach Niedersachsen erstreckte. Er liegt in Schleswig-Holstein, ist gemeindefrei und schließt im Osten an das Hamburger Stadtgebiet an. Hamburgs Lieblingssonntagsnachmittagsspaziergehwald mit S-Bahn Anschluss könnte man ihn nennen, hier trifft man Freunde, Kollegen, Nachbarn und Promies zwischen Sonntagsbraten und fife-o-clock tea ganz ohne Verabredung. 


Otto von Bismark bekam den Sachsenwald 1871 von Kaiser Wilhelm dem I. geschenkt. Immer noch sind große Teile des Waldes im bismarkschen Besitz. Das interessierte uns jedoch am Nachmittag nur peripher. Auch die "Quatsch mit Leine Schilder" fanden wir unangemessen, viel spannender war zum Beispiel, dass hier draußen noch Schnee lag. Lotte, vom Regenmantel vor gröberem Unfug vermeintlich halbwegs geschützt, peste sofort los. Schnee erhöht die Grundgeschwindigkeit um 30-50%. Das war gut, denn wir waren mal wieder spät dran. 


Mir fiel auf, sie kann den Wolfgang nicht. Also, den Gang der Wölfe. Wölfe laufen in ihrer eigenen Spur um dadurch Kraft zu sparen. Lotte hat entweder zu kurze Beine oder wahlweise einen zu langen Bauch, die Spur der Hinterläufe kommt nur ansatzweise an die Fußabdrücke der Vorderpfoten heran. Nun ja, wir nutzten über weite Strecke die S-Bahn - nennen wir es Bewegungsevolution der urbanen Caniden, Lotte machte jedenfalls keinen benachteiligten Eindruck.


Nun die Lanze für den freien Montag. Der Sachsenwald war wie leer gefegt. Wo am heiligen Sonntag Nachmittag noch dichtes Spaziergängergedränge herrschte war 24 Stunden später keine Menschenseele. Erst merk man gar nichts, aber nach einer knappen Stunde gehen ist es plötzlich da: du bist alleine, nicht einsam, nur ganz wundervoll alleine. Kein Geräusch, nicht der kleinste Farbtupfer im dunstigen Wintergrau, nur der eigene Atem und irgendwo wuselt noch ein kleiner Hund herum, der dann auch endlich ehrfurchtsvoll inne hält. Grau, kalt, schön, nichts. So blieb es dann auch den gesamten Nachmittag. Wir begegneten keiner Menschenseele.


Sicherlich hat jeder von Lohnarbeit befreite Tag einen gewissen Mehrwert, dem Montag jedoch, das beobachte ich schon lange, kommt der höchste zu. Montags fährt kein Mensch in den Wald und auch sonst hat man gefühlt die ganze Welt für sich. Ein markanter Nachteil ist jedoch, es gibt oft keinen Kuchen unterwegs. Solchen Unannehmlichkeiten kann man leicht mit einer Thermoskanne und einem dem Ausflug vorangehenden Besuch beim Bäcker begegnen. Heute fand unser Picknick am wilden Lauf der Bille statt. Kaffee und Donuts für mich, kleine Leckerlis für Lotte.


Zeitweise war es unwegsam. Unwegsam im wahrsten Sinne des Wortes, viel Niederschlag, Windbruch und schweres forstwirtschaftliches Gerät hatten einige Wege unpassierbar gemacht. Querfeldeinpassagen waren im lichten Eichenwald die bessere Wahl. Dank GPS Unterstützung ist das heutzutage selbst in unbekannten Gegenden kein Problem mehr. Die dünne verharschte Schneedecke trug Lotte problemlos und verlieh mir geräuschvolle Schritte. Möglicherweise nicht schlecht, dachte ich bei mir, die Wildschweine bekommen im Januar ihre Frischlinge und einer erschrockenen Bache mit Nachwuchs möchte ich nicht über den Weg laufen, dann lieber etwas Lärm machen und ordentlich nach Mensch (und Hund) stinken. 


Am Ende war es dann doch fast wieder Dunkel, als wir in Aumühle ankamen. Ein Blick auf die Karte sagte mir, der Sachsenwald hat noch einiges zu bieten und das war bestimmt nicht unser letzter Besuch heute. Erst gestern gefönt und gekämmt musst sich Lotte heute schon wieder einer intensiven Entastung und weiterer Körperpflegegänge unterziehen, aber der Spaß am Nachmittag war diese Mühe wert. 






Montag, 8. Januar 2018

Trave



Ganz langsam lerne ich den Winter lieben. Von der dunklen, kalten, endlos langen Jahreszeit entwickelt er sich zum Wunderland, das entdeckt werden will. Der wohl ausschlaggebende Grund dafür ist, dass wir das Wandern entdeckt haben und damit eine weitere Möglichkeit, Licht, Luft und Bewegung zu tanken. Nicht, das ich in diesem noch kurzen Jahr nicht schon Fahrrad gefahren wäre. Der erste Plattfuß ist geflickt, die ersten Hundert Kilometer dahingerollt, aber heute stand Wandern auf dem Aktivitätenzettel. 



Strahlender Sonnenschein, -2°Celsius, Lotte voller Tatendrang, ich noch nicht so. Das Aufstehen gestaltete sich in drei von Kaffee unterbrochenen Etappen. Dies war der eine Grund, warum wir spät dran waren. Der andere Grund lag bei der Deutschen Bahn. Bei zwei Zügen stündlich wartet man statistisch 15 Minuten auf den nächsten Zug. Wir wählten die Maximalwartezeit, hinzu kam eine Verspätung von 20 Minuten und überholende Züge an jedem Zwischenbahnhof, was zu einer Reisezeit von schlapp 2 Stunden für knappe 50 Kilometer führte. Aber wir wollen nicht klagen, es war warm und die Sitze waren weich. 


Wo es schön ist und ich schon immer mal hin wollte stand auch heute wieder auf der Liste. Fährt man nämlich von Lübeck nach Hamburg mit der Bahn, so durchquert man das Travetal an einer recht hügeligen Stelle und von der erhöht gelegenen Bahnlinie hat man mehrmals einen wundervollen Ausblick. Genau dort sollte es hin gehen, nach Bad Oldesloe in Stormarn und von dort aus der Trave Richtung Ostesee folgend. 


Oldesloe, längst nicht mehr Bad, hat eine spannende Geschichte. Im 16. Jahrhundert an der durch den Alster-Beste-Kanal entstandenen Wasserstraße zwischen Lübeck und Hamburg gelegen, kurzzeitig blühende Handelsstadt. Man sagt es sei die teuerste Fehlinvestition gewesen, die die Stadt Hamburg je getätigt habe, denn nur wenig mehr als 20 Jahre war der Kanal schiffbar, bevor er aufgegeben wurde. Die Trave hingegen war noch bis in die 1830er Jahre bis Bad Oldesloe von Schiffen befahrbar. Die damals neu gebaute Bahn machte dem Flüsschen als Transportweg endgültig den Garaus.....soviel aus unserer Serie "unnützes Wissen am Abend", auf das heute Outdoor Erlebnis hat das alles schließlich überhaupt keine Einfluss.


Lotte stratzte los, und das war auch gut so, in weniger als zwei Stunden würde die Sonne unter gehen und dann sollten wir wieder in der Zivilisation sein. Wir folgen dem Flusslauf, die Sonne im Nacken und meist festes Eis unten den Füßen. Die Trave war an einigen Stellen über die Ufer getreten und breit gefroren. Stellenweise konnte man leider nicht erkennen, wo sich fester Untergrund unter dem Eis oder wo sich Wasser befand. Als Mensch hat man immerhin noch eine Ahnung wo Weg und wo Fluss sein könnte, Lotte ging das jedoch komplett ab. Sie schlitterte freudig übers glatte gefrorene Nass und mir stockte mehrmals der Atem, als sie sich dem Fluss näherte, denn das Eis war noch sehr dünn. Alles gut gegangen, manchmal hat man einfach Glück. Nur das Eis im dichten Fell klimperte beim laufen. Trotzdem war ich froh, als wir bergan, über die schon erwähnte Bahnlinie nach Lübeck, in einen winterlich kahlen und trockenen Wald wechselten.



Ich finde die winterliche Natur mehr und mehr zauberhaft. Man sieht so vieles, was im Sommer vom dichten Grün verborgen ist. Immer wieder blieben wir stehen, atmeten tief eisige Luft und schauten einfach nur, schauten so lange bis uns die Dunkelheit einholte. Das Hundeverbotsschild im Café in Bad Oldesloe übersahen wir, im Gegenzug übersah die Bedienung den Hund. Ich fand das war ein guter Deal. Für mich gab es einen Pott heißen Kaffee und klassisch, eine Nussecke, für Lotte - nichts. Restaurants und Café sind Orte wo Hunde nichts essen (Punkt) Das hat schon bei Joschi wunderbar funktioniert und Lotte hat es schnell gelernt. Aber wenn man dann später nach dem Essen wieder ins Freie kommt, dann gibt es ein Fest für den Hund. 


Zug in 5 Minuten, geht doch - dachte ich. Das war aber nur der geschmeidige Anfang. In Ahrensburg wurde der Zugbegleiter zum Zugführer gerufen. Das bedeutet meist Ungemach. Das vor uns liegende Gleis sei besetzt, gesperrt, ein entgegenkommender Zug sei mit einem Festen nicht identifizierten Gegenstand zusammengestoßen, die Bundespolizei müsse den Gegenstand finden bevor die Strecke freigegeben werde, der "Zugstau" sei jetzt auf 4 angewachsen, ein Rettungsdienst sei im Einsatz, soweit die folgenden sechs Ansagen des Zugbegleiters. Unappetitlich werden sie ja selten bei ihren Ansagen. Die Aussicht war jedoch, für ein Weiterkommen, sehr bescheiden. Ich entschloss die schon müden Füße noch einem  zu reaktivieren und mich auf den Weg zur U-Bahn Station in Ahrensburg-West zu machen. Die zwei Kilometer gingen dann auch noch irgendwie. Hunger und mangelnde Lust noch etwas zu kochen trieben mich in die Pommesbude meines Vertrauens. Currywurst, Pommes, Bier, ja ich weiß, es gibt Menschen, die finden das unglaublich - ich nicht :)